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Neue Unübersichtlichkeit in Österreich unter FPÖ und ÖVP

8. Mär 2019/cal /gehört, unschärfe, gelesen, gesehen, passiert, widerstehen / 8. Mär 2021

Lieber Martin,

verzeih, dass ich Dir erst so spät antworte. Du hattest mich darum gebeten, Dich über politische Entwicklungen in Österreich auf dem laufenden zu halten, Dir quasi einen Innenblick zu liefern als Ergänzung zu Deinem Außenblick aus Hamburger Perspektive. Das ist gar nicht so einfach. Zum einen liefert die FPÖVP Regierung in solch enormem Tempo („speed kills” ⌕) Anlässe zur Sorge, dass es schwer fällt, selbst als in Österreich Lebender Schritt zu halten und darüber nachzudenken, welche mittel- und langfristigen Folgen sich daraus ergeben könnten. Zum anderen ist es gar nicht so leicht, zwischen all den Finten, Propagandameldungen und FakeNews, die die Regierung und ihr nahe Organisationen und Interessensverbände streuen, aber auch den teils schlecht recherchierten journalistischen Beiträgen selbst bei seriösen Medien einen klaren Blick auf das zu gewinnen, was sich tatsächlich tut. Es herrscht hier in Österreich eine Stimmung von Hysterie und Schaulust, als handelte es sich bei Politik, zumal Regierungspolitik, um eine Art Realityshow. Viele Medien treiben das an, um das eigene Geschäft zu bedienen.

Medien sind berechenbarer geworden und das nutzen FPÖ und ÖVP rücksichtslos aus. Nicht nur die Opposition, auch Medien haben noch nicht realisiert, dass sie es hier mit einer für Österreich völlig neuen Politikstrategie zu tun haben. Das muss man den Strippenziehern im Hintergrund lassen, sie beherrschen ihr Handwerk. Es sind nicht Strache samt seiner Entourage oder die Minister, die Kurz um sich geschart hat. Die wenigsten haben das Zeug dazu, solche Strategien zu verstehen, geschweige zu entwickeln und umzusetzen. Ich denke fast, dass bis auf ganz wenige die meisten Regierungsmitglieder selbst keine Ahnung davon haben, wie subversiv die Blau-Schwarze Regierung in ihrer dritten Auflage unterwegs ist. Anders ist das mit Herbert Kickl und den „Influencern”, die im Verborgenen ihren Geschäften nachgehen. Sie ziehen die Strippen.

Wichtig für die FPÖ und ÖVP Propaganda und Medienstrategie sind auch die Echokammern der Sozialen Medien, insbesondere der sozialen Netzwerke. Sie sind die Treiber, nicht nur für Teile der Bevölkerung, auch für klassische Medien.

Ich wüsste derzeit nicht zu sagen, wer in der Regierung die erforderliche Medienkompetenz mitbrächte, um diese Klaviatur zu spielen. Auch nicht der Gründer und frühere Geschäftsführer von runtastic, der sich in die Kurz Entourage eingeklinkt hat. Er mag es mit einer Plattform in kurzer Zeit zum Multimillionär gebracht haben, aber sein Blick ist der eines App-Entwicklers mit internationaler Vertriebserfahrung. Wer also sind die Leute, die hier ihre erstaunlichen Dienstleistungen anbieten?

Um die 268 Sonderverträge hat die Regierung geschlossen —  teils hoch bezahlte Posten in den Ministerien und im Bundeskanzleramt geschaffen,  darunter wohl auch Profis gewissermaßen als Manager auf Zeit beschäftigt. Dazu werden wohl noch Sonderverträge kommen, die nicht über die Bundesverwaltung abgewickelt werden und die gewissermaßen nicht so einfach nachvollziehbar sind. Um diese Verflechtungen aufzudecken, müsste man wohl zu Methoden der Bekämpfung krimineller Organisationen greifen. Medien habe kaum eine Chance, zumindest noch nicht, hier etwas aufzudecken, denn es gibt hier kein Informationsfreiheitsgesetz und Transparenz ist eben auch ein Fremdwort.

Andererseits kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass es gar keine Masterminds der Politikstrategie, der Propaganda und der Medienstrategie bei der FPÖ und ÖVP gibt. Es kann sein, dass — dem alten Spruch: „Dummheit siegt” folgend — einfach die Chuzpe diese rechtspopulistischen und rechtsnationalen Agitatoren treibt und dass deren freche Bluffs so dreist sind, dass alle etwas anderes als Chuzpe dahinter vermuten.


Ciao, C.

PS: Hast Du eigentlich den Filmbericht auf ARD im Magazin Panorama gesehen, wo es um die Unterstützung des pensionierten, deutschen Verfassungsschützers und Staatssekretärs, Klaus-Dieter Fritsche, für Herbert Kickel geht?

 


Die Korrespondenz mit Martin im Überblick

Tags: BriefeFPÖHC StracheHerbert KicklMartinSebastian KurzÖVP
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1 Kommentar

Kommentar von: gerd sollner

Hochinteressant! - Es ist natürlich schon alles erprobt bei PR- Agenturen um Markenartikel, wie Politiker zu promoten. Diesem Fall scheint die FPÖ ihre russischen Verbindungen des counterinsurrgency zu verwenden. Das es nur die sozialen Medien sind, welche eine Aufklärung erschweren glaube ich nicht. Denn man muss mit kritischen blick nur ZIB2 sehen, da es die einzigin D empfangbare News-Sendung ist. Wie manipulativ diefpövp arbeitet. Die fp für die schlammschlachten des chauvinismus, rassismus,nationalismus. Die öv richtet das land auf den neoliberalismus aus.Schrittweise. Die träge Mentalität der Bevölkerung spielt doch dabei eine riesenrolle. Solang das Geld stimmt schau´n mer zu. Bürgerrechtsbewegung , was is?- Die künstler werden unruhig wegen der Pfründe. Ich hoffe sie analysieren weiter.

10.03.2019 @ 18:40


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